Erfolg als Freelance-Texter:innen: Bitte nicht schweigen!

Erfolg als Freelance-Texter:innen: Bitte nicht schweigen!

31. Januar 2022
In
1 Responses

Ein Beitrag von Paul Henkel

Leider nur der letzte Platz. Mit 69 Euro Stundensatz bilden Freiberufler:innen im Bereich „Grafik, Content, Medien“ laut Freelancer-Kompass 2021 das Schlusslicht im Honorarranking. Zur Orientierung: Der Texterverband empfiehlt einen Stundensatz von 90 Euro – und selbst der beschert im Jahr nach allen Abzügen und realistischer Zeitplanung kein Vermögen.

Gelbe Leuchtschrift auf schwarzem Grund
Foto: Fab Lentz, Never stop. Quelle: unsplash.com

Beruflicher Erfolg bemisst sich zwar nicht nur an Honoraren, doch das Beispiel macht deutlich: Wenn wir uns nicht offener austauschen, schadet uns das. Und zwar nicht nur denen, die wenig verdienen, sondern allen – den Top-Verdiener:innen der Branche genauso wie den Gründer:innen.

Was ist überhaupt Erfolg?

10.000 Euro Umsatz im Monat? Die Freiheit, nur über das Lieblingsthema zu schreiben und das von jedem Ort der Welt? Balance zwischen Familienzeit und finanzieller Stabilität? Erfolg bedeutet für jede:n Freelance-Texter:in etwas anderes. In der Quintessenz haben wir aber immer dann Erfolg, wenn wir unsere Ziele erreichen – wie auch immer wir diese definieren. 

In jedem Fall hilft es, angemessene Honorare zu vereinbaren, mit wertschätzenden Kund:innen zu arbeiten und Projekte so zu planen, dass wir nicht zum Sklaven in unserer selbstgebauten Content-Galeere werden. Wie aber kommt man zu diesem Idealzustand?

Foto: Fabian Blank, Cute piggy bank. Quelle: unsplash.com

Warum Google ein schlechter Berater ist

Gerade am Anfang müssen sich Freelancer:innen mit vielen neuen Themen beschäftigen, wie Akquise, Zeitmanagement und Preisgestaltung. Natürlich lässt sich viel Wissen ergoogeln. Für individuelle Antworten, Diskussionen und die Möglichkeit nachzufragen, braucht es aber das persönliche Gespräch mit Textkolleg:innen, die im besten Fall einen Wissens- oder Erfahrungsvorsprung haben. 

Google ist auch deshalb kein optimaler Unternehmensberater, weil es bei einem Gros der Entscheidungen im Freelance-Business nicht um Fakten geht, sondern um geschickte Kommunikation, Empathie und Vertrauen.

In fachbezogenen Social-Media-Gruppen lässt sich zwar Rat einholen, aber möchte man jedes Anliegen direkt mit und vor mehreren hundert Menschen ausbreiten? Fragesteller:innen und Kommentator:innen neigen dazu, ihre Beiträge zu filtern, wenn sie wissen, dass diese noch Jahre später im Netz zu lesen sind. Manche Kommentare dienen eher der Selbstdarstellung als der Hilfestellung, und bis kompetente Antworten zum eigenen Beitrag erscheinen, kann es Tage dauern. Das vertrauliche Gespräch können solche Online-Diskussionsrunden jedenfalls nicht ersetzen.

KOLLEGIALER AUSTAUSCH LOHNT SICH IN JEDER KARRIEREPHASE

Über die Jahre sammeln Freiberufler ihre persönlichen Antworten. Aber es kommen neue Fragen auf, zum Beispiel zur Altersvorsorge, zum Freelancing als (alleinerziehendes) Elternteil, zu neuen Technologien und Trends in der Branche. 

Gerade ältere Texter:innen meinen oft, Erfahrungsaustausch sei etwas für die Neuen. Dabei profitieren von einem ehrlichen Austausch Freelancer in jeder Phase ihrer Selbstständigkeit, weil

  • man immer dazulernen kann
  • Diskussionen die eigene Perspektive erweitern
  • man vielleicht unentdeckte Stärken erkennt
  • sich Kooperationen finden
  • man Impulse für kreative Projekte mitnehmen kann
  • Erfolg keine fixe Obergrenze kennt und immer noch etwas einfacher und schöner sein kann

    Kurz: Austausch bereichert und beflügelt.

3 GRÜNDE, WARUM TEXTER:INNEN UNGERN ÜBER ERFOLG SPRECHEN

Trotzdem habe ich in der Vergangenheit festgestellt: Die Offenheit unter Texter:innen ist begrenzt. Beim Austausch mit Kolleg:innen – ja, beim Ideensammeln für Artikel hilft er auch – kamen drei Gründe immer wieder zur Sprache, die Texter:innen zum Verharren im stillen Kämmerlein verleiten.  

Kulturelle Prägung

„Über Geld spricht man nicht“ – mit dieser Überzeugung sind viele von uns aufgewachsen. In Deutschland hält sich die Kultur der Zurückhaltung. Aller Globalisierung zum Trotz. Mädchen wurde ohnehin seit Generationen subtil vermittelt: Wer zu viel über die eigenen Erfolge spricht, gilt als unsympathisch. Also besser lassen.

In der Generation Y und Z bröckelt das kulturelle Paradigma zwar, aber immer noch berechnen viele Texter:innen ihre Honorare nach Bauchgefühl und verkaufen sich, womöglich beraten durch hartnäckige Selbstzweifel, unter Wert. Welche Honorare kann man für welche Leistung am Markt durchsetzen? Da muss sich jeder mühsam selbst vortasten. Honorarempfehlungen wie der Marktmonitor des Texterverbands sind zwar sehr hilfreich, können aber nie so individuell sein wie die Einschätzung des Kolleg:innen, der den Projekt-Kontext kennt.  

Konkurrenzdenken

Wer erfolgreich ist, hält sich bedeckt. „Der Kuchen kann nur einmal verteilt werden“, scheint das Motto. Man könnte ja versehentlich Namen von Kund:innen fallen lassen oder Strategien verraten, die das eigene Geschäft tragen. Und was, wenn „die anderen“ plötzlich zu Nachahmern werden? Mit dieser Angst und den schwindenden Umsätzen im Kopf werden die Lippen aufeinandergepresst und nur für Smalltalk geöffnet.

Dabei geht diese Einstellung von völlig falschen Annahmen aus: Marktwirtschaft hat nichts mit einem Kaffeekränzchen zu tun. Das ist in vielerlei Hinsicht bedauerlich, hat aber einen Vorteil: Der Kuchen wächst mit. Es stimmt eben nicht, dass die Zahl der Aufträge in Stein gemeißelt ist. Die Wirtschaft wächst, der Content-Bedarf steigt. Niemand muss Angst haben, dass er durch Erfahrungsaustausch und Hilfsbereitschaft seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Es ist genug für alle da!

Und falls es so wäre, dass Kund:innen bei der ersten Gelegenheit zu Textkolleg:innen überwandern? Dann krankte die Kundenbeziehung schon vorher. Wer sein Handwerk versteht, kann souverän genug sein, um Erfolge und Misserfolge zu teilen. Davon profitiert sie oder er schließlich selbst. Denn man schafft so eine Atmosphäre, in der andere eher bereit sind, von ihren Erfahrungen zu berichten. Und egal, wie erfolgreich man ist, in jedem offenen Gespräch lässt sich etwas lernen. In unserer sich ständig ändernden Welt kann das nur hilfreich sein.  

Scham 

Ein dritter Grund, warum es nicht in jeder Stadt und in jeder Ecke des Internets Texter:innentreffen und Masterminds für Copywriter gibt: Bei solchen Terminen nehmen schnell die Selbstdarsteller:innen den Raum ein. Sie genießen es, endlich Zuhörer:innen zu haben, schließlich sitzen sie täglich viele Stunden schweigend an ihrem Rechner. Also berichten sie von ihren Erfolgen – ganz viele Kund:innen, lief immer alles super, kann sich vor Aufträgen nicht retten. Allerdings so oberflächlich und überzogen, dass wirklich niemand etwas für sich mitnehmen kann, außer vielleicht den Vorsatz, selbst niemals so aufzutreten. 

Damit Wortwerker:innen von Austausch unter Kolleg:innen profitieren, braucht es Mut, die Werbung aus dem Schaufenster zu nehmen und einen Blick ins Innere zuzulassen. Misserfolge und Schwierigkeiten gehören zum (Berufs-)Leben dazu und sie auszublenden, führt nur dazu, dass der Wert des Austauschs rapide sinkt: Wer über aktuelle Probleme nicht spricht, kann keine Unterstützung finden. Und nicht nur die Fragenden verpassen Chancen, wenn sie schweigen: Andere in der Runde hätten aus Lösungsideen womöglich Inspiration gezogen und manche hätte allein die Erkenntnis motiviert, an bestimmten Business-Baustellen nicht allein zu arbeiten. 

Weil es aber leichter ist, über Erfolge zu sprechen, scheint es manchmal so, als ob „alle anderen es besser hinkriegen“. Aus Scham schweigen wir über das, was noch nicht so rund läuft – und niemand kommt bei seinen Herausforderungen weiter. 

Kein Netzwerk kostet viel mehr

Es stimmt, wir haben alle einen vollen Terminkalender, und es kostet Zeit, berufliche Kontakte zu pflegen, wenn man sich nicht in der Kaffeeküche begegnet. Aber es kostet noch mehr, wenn wir uns nicht austauschen und Unterstützung suchen. Es kostet Inspiration, Zufriedenheit und Umsatz. 

Freiberuflich als Texter:in zu arbeiten, kann ein wunderbarer Job sein. Aber Erfolg ist kein Automatismus. Ich finde, wir sollten offener darüber zu reden, welche Strategien funktionieren, welche Probleme (fast) jeder kennt und wie wir uns das Freelancer-Leben entspannter und zugleich erfolgreicher organisieren können.

Paul Henkel
Foto: Marc Maria
Paul Henkel
Technologie-Texter

„Ich unterstütze B2B Tech-Unternehmen als Content Writer in der Leadgenerierung und im Markenaufbau. Mein Mittel der Wahl: Texte, die Google gefallen und Menschen bewegen – Kontakt aufzunehmen, Kunden zu werden und Nutzer zu bleiben. Wenn ich nicht selbst schreibe, bin ich Sparringspartner für Texter:innen, die ihre Freiberuflichkeit erfolgreich auf- und auszubauen möchten.“

Paul Henkel ist Mitglied des Texterverbands 

paulhenkel.com

Eine Antwort

  1. Hallo Paul,
    true words. Jedes Angebot ist eine Herausforderung, manchmal liegt man falsch mit seiner Einschätzung und der Auftrag stellt sich als weniger lukrativ heraus, als man dachte. Das Wichtigste im Freelancer-Leben ist m.E. eine gesunde Wertschätzung der eigenen Leistung und eine realistische Zeiteinschätzung.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert